Namensbeitrag: Keine Rentenpolitik ohne Beschäftigungspolitik

Veröffentlicht am 11.12.2014 in Reden/Artikel

Deutschland diskutiert derzeit darüber, ob Mehrausgaben bei der abschlagsfreien Rente ab 63 von 0,1 Milliarden Euro im Jahr 2014 eine Kostenexplosion des Rentenpakets darstellten oder nicht. Dabei wird so getan, als würde das Rentenpaket, das für 2014 mit 4,4 Milliarden Euro plus Beitragsausfällen im Gesetzentwurf der Bundesregierung solide kalkuliert war, unsere umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung an den Rand ihrer Kraft führen. Ferner wird behauptet, dass die junge Generation von der Politik der Bundesregierung nicht profitieren werde.

Bei Mehrausgaben für die Rente ab 63 von 0,1 Milliarden Euro handelt es sich, berechnet auf das Rentenpaket, für das Jahr 2014 um Kostensteigerungen von 2,27 Prozent. Für 2015 belaufen sich die Mehrausgaben auf 1,6 Prozent. Trotz dieser Finanzentwicklung ist es möglich, zum 1. Januar eine Beitragssatzsenkung um 0,2 Prozentpunkte vorzunehmen und spürbare Rentenerhöhungen in den nächsten Jahren zu ermöglichen. Das ist eine gute Nachricht für Rentnerinnen und Rentner, für Beitragszahlerinnen und Beitragszahler: Sie müssen keine negativen Auswirkungen der Rente ab 63 befürchten. Im übrigen stände die Rentenversicherung noch viel besser da, wenn die „Mütterrente“, die in dieser Legislaturperiode mit einem Finanzierungsvolumen von 6,7 Milliarden Euro jährlich beziffert ist, aus Steuermitteln finanziert werden würde. Das ist eine wichtige Forderung der SPD.

Die Rente ab 63 führt also nicht ins finanzielle Desaster, und sie wird nicht doppelt so teuer, wie im Gesetzgebungsverfahren kalkuliert. Das ist Unfug und dient lediglich der Skandalisierung. Und von einer Politik, die junge Menschen nicht berücksichtigt, kann keine Rede sein. Gute Beschäftigungspolitik für junge Menschen ist Rentenpolitik – genau hier setzen wir an.

Denn was ist die Logik der gesetzlichen Rentenversicherung? Sie ist im Kern das Spiegelbild der Erwerbsbiografie. Jeder Euro zählt: Je mehr in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wird, desto mehr wächst die spätere Rente. Und gerade, weil die Rente sich an der Frage ausrichtet, wie die Erwerbsbiografie eines Beschäftigten verlaufen ist, greift eine isolierte Betrachtung der Rentenpolitik, ohne den Blick auf die Beschäftigungspolitik zu werfen, zu kurz.

Fakt ist: Es gibt nicht den einen jungen Menschen, nicht den einen jungen Beschäftigten. Die Generation der zwischen 1980 und 2000 Geborenen ist heterogen – in ihrem Bildungsgrad, in ihren Wünschen ans Private und an die Arbeitswelt. Doch egal, über welchen jungen Menschen wir sprechen – jede und jeder hat ein berechtigtes Interesse daran, mit seinen Beiträgen auch im Alter eine angemessene Rente zu erzielen.

Viele junge Menschen haben Schwierigkeiten, ihren Schulabschluss zu machen oder einen guten übergang von der Schule in den Job hinzubekommen. Deswegen werden wir, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, ganz besonders in Bildung und Ausbildung der jungen Menschen investieren, die dringend eine zweite Chance brauchen. Wir wollen zum Beispiel für eine flächendeckende Einrichtung von Jugendberufsagenturen sorgen und mehr duale Ausbildung fördern – egal ob in Voll- oder Teilzeit. Jugendberufsagenturen bringen die verschiedenen Akteure, die sich für einen besseren übergang von der Schule in den Beruf bei förderungsbedürftigen Jugendlichen einsetzen, unter ein Dach und damit zur besseren Kooperation. Mit dem Mindestlohn sorgen wir zudem für eine bessere Einkommenssituation, sowohl für junge als auch für Praktikanten. Damit ist die „Generation Praktikum“ endlich beendet.

Wenn von jungen Menschen gesprochen wird, wird oftmals die sogenannte „Generation Y“ erwähnt. Y steht – englisch ausgesprochen – für „why“, zu Deutsch: warum. Gemeint sind allerdings meist nur junge (angehende) Akademiker, die mit einer guten individuellen Einkommenssituation rechnen. Ganz oben auf der Wunschliste: Eine Work-Life-Balance, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Arbeitgeber, die sie fördern. Und: Sie wünschen sich – ebenso wie die Nichtakademiker ihrer Generation – eine soziale Absicherung während des Erwerbslebens und danach. Viele von ihnen sind selbstständig. Spannender wäre es deshalb, die Diskussion darüber zu führen, wie es uns gelingt, eine Rentenversicherung für alle mit Leben zu füllen, damit unterschiedliche Erwerbsformen auch gleich abgesichert sind.

Auch die Generation Y profitiert von der Politik der Bundesregierung. Die SPD hat schon lange dafür gekämpft, dass endlich das Bafög erhöht wird – 2016 ist es so weit. Zum Wintersemester werden die Fördersätze um sieben Prozent angehoben. Mehr als 600.000 Bafög-Bezieherinnen und -bezieher profitieren davon. Und weil das „Meister-BAföG“ daran gekoppelt ist, ist dies die finanzielle Förderung von Aufstieg für alle Bevölkerungsschichten – nicht nur für die Generation Y. Auch mit dem ElterngeldPlus werden die neuen Bedürfnisse einer ganzen Generation aufgegriffen, indem Elterngeld und Teilzeitarbeit neu miteinander kombinierbar sind. Im nächsten Jahr werden wir ferner den Missbrauch von Werkverträgen angehen.

Klar ist: Wir kommen nicht weiter, wenn so getan wird, als würde die Regierung Junge gegen Alte ausspielen. Es ist beides möglich: Die Lebensleistung von langjährigen Versicherten anzuerkennen und durch eine gute Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung eine solide Rente auch für die Jungen zu erwirtschaften. Denn gute Beschäftigungspolitik ist Rentenpolitik.

Dieser Beitrag ist erstmals in der Frankfurter Rundschau erschienen.

 

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