Interview mit den Schaffhauser Nachrichten

Veröffentlicht am 12.11.2009 in Presseecho

Auch unsere schweizer Nachbarn schauen gespannt nach Dresden, wo dieses Wochenende der SPD-Bundesparteitag stattfindet.
Die Schaffhauser Nachrichten haben heute ein Interview mit mir veröffentlicht.

Herr Friedrich, haben Sie die Schlappe Ihrer Partei bei den Bundestagswahlen Ende September schon verdaut?

Peter Friedrich: Wir sind immer noch am Verdauen. Das war schon eine historische Niederlage für die SPD, und es wird eine Weile dauern, bis wir das aufgearbeitet haben und dann auch die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen. Beides ist mit viel Arbeit verbunden.

Ein erster Schritt muss am morgen beginnenden SPD-Parteitag in Dresden gemacht werden. Mit welchen Erwartungen fahren Sie dorthin?

Friedrich: In Dresden wählen wir jetzt erstmal einen neuen Vorstand, der ein sehr anderes Gesicht haben wird als der bisherige. Für die SPD kommt es jetzt darauf an, in der Oppositionsaufgabe anzukommen. Wir dürfen uns in der jetzigen Situation nicht nur mit uns selbst beschäftigen. Die Leute erwarten von uns, dass wir eine klare Oppositionspolitik betreiben. Gleichzeitig müssen wir klarstellen, was in der Vergangenheit gut gemacht wurde, aber auch, was schlecht war. Der Parteitag ist ein erster Schritt der Wiederaufarbeitung, dem inhaltliche und organisatorische Schritte folgen müssen.

Die neue Führung, die Sie angesprochen haben, soll an der Spitze aus dem Parteichef Sigmar Gabriel und der Generalsekretärin Andrea Nahles bestehen. Können diese beiden das Ruder herumreissen?

Friedrich: Sie leben ja schon einmal einen anderen Stil vor. Ich habe es in der Vergangenheit nicht erlebt, dass sich neue Funktionsträger in den einzelnen Sektionen und Bezirken der Partei vorstellen. Das ist eine deutliche Veränderung. Davor wurden Wechsel an der Spitze der Partei immer relativ handstreichartig vollzogen. Diesmal aber haben wir eine lange Phase, wo Gabriel und Nahles in die Partei hineinhören und die Stimmung an der Basis aufnehmen. Sie leben also den neuen Stil bereits vor. Es wird ihre zentrale Aufgabe sein, die vielen Stimmen, die es innerhalb der SPD gibt, zum Klingen zu bringen und dann stringent zusammenzuführen.

Kennen Sie Herrn Gabriel oder Frau Nahles auch persönlich näher?

Friedrich: Ich kenne beide seit langer Zeit, schon bevor sie auf Bundesebene Verantwortung übernommen haben. Ich habe zu beiden einen guten und engen Draht und will den auch nutzen für die SPD Baden-Württemberg, damit wir ein Stück weit vorankommen, auch mit ihrer Unterstützung.

Im Vorfeld des Parteitages hat Sigmar Gabriel in einem Interview gesagt: «Der Wähler hat kein Bild mehr, wofür wir stehen.» Wie kann die SPD dieses Dilemma lösen?

Friedrich: Die SPD hat in den beiden zentralen Punkten, die uns in der Vergangenheit den Erfolg gebracht haben, ihre Glaubwürdigkeit verloren: beim Fortschritt und bei der Gerechtigkeit. Diese beiden Punkte muss die SPD wieder glaubhaft nach vorn bringen. Beim Fortschritt war die SPD in den letzten Jahren viel zu stark auf die Verteidigung des Istzustandes ausgerichtet gewesen, anstatt Neues zu schaffen. Und beim Thema Gerechtigkeit gab es viele Entwicklungen, die die SPD nicht ausreichend aufgegriffen hat, sei das die Entwicklung von miserablen Arbeitsbedingungen oder die schlechte Integration von Einwanderern. Dieses Begriffspaar – Fortschritt und Gerechtigkeit – muss die SPD wieder gleichwertig vertreten. Wenn das glaubwürdig gelingt, haben wir wieder alle Chancen.

Geht die Ära von Schröder, Münte- fering und Steinmeier endgültig zu Ende nach dem Parteitag?

Friedrich: Man darf nicht vergessen, dass die vergangene Ära auch mit der Einführung der Ganztagesschule oder der Energiewende verbunden ist und nicht nur mit Hartz IV und Rente ab 67. Insofern wäre es falsch zu sagen, wir koppelten uns komplett von dieser Ära ab. Wir sollten durchaus stolz sein auf das, was gut gelaufen ist, das müssen wir mitnehmen. Und dort, wo wir Fehler gemacht haben, brauchen wir die Souveränität zu sagen, das korrigieren wir.

Führt der Weg der Erneuerung der SPD über die Bekämpfung der eigenen Ideen wie Hartz IV und Rente mit 67?

Friedrich: Nein. Dadurch gewinnen wir keine Glaubwürdigkeit, und das ist ja genau das, was uns gefehlt hat. Wir können nicht auf einmal das Gegenteil von dem behaupten, was bis zum 27. September (Datum der Bundestagswahl, Anm. d. Red.) richtig war. Aber wir haben ja schon eine ganze Reihe von Schwächen erkannt und Korrekturen eingeleitet. Da müssen wir dranbleiben und auch neue Antworten geben. Wir müssen uns etwa der Frage stellen, wie wir die Menschen unter guten und gesunden Bedingungen möglichst lange in der Beschäftigung halten können. Die meisten Menschen wollen nämlich arbeiten in diesem Land, sind aber nicht in der Lage dazu.

Wäre nicht jetzt der Zeitpunkt gekommen, Tabula rasa zu machen? Junge, unverbrauchte Kräfte wie Sie an die Spitze der Partei zu setzen? Sigmar Gabriel gehört ja nicht unbedingt in diese Kategorie.

Friedrich: Ich persönlich kandidiere ja für den Parteivorstand, als Beisitzer. Mal sehen, wie es ausgeht. Die SPD selbst ist dabei, sich personell neu aufzustellen, aber die Erneuerung der Partei ist nicht nur eine personelle Frage, es geht auch um Inhalte und die Parteiorganisation. Das muss als Prozess geschehen und nicht in einem Eilverfahren. Nun bleiben uns vier Jahre, bis zur nächsten Bundestagswahl, um das voranzutreiben.

Die SPD war elf Jahre in die Regierung eingebunden, musste Kompromisse eingehen und Verantwortung tragen. Freut man sich da ein wenig auf die Opposition?

Friedrich: Freude ist vielleicht der falsche Ausdruck. Ich kann ja nicht sagen, nur weil es für die SPD leichter geworden ist, und das ist es in der Opposition, freue ich mich. Es ist kein Trost, wenn es der SPD wieder gutgeht, aber die schwarz-gelbe Koalition das Land gespalten hat.

Was sind Ihre persönlichen Ziele in Berlin?

Friedrich: Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwierig zu sagen. Wir befinden uns ja noch immer in der Findungsphase der Aufgabenverteilung. Für meinen Wahlkreis Konstanz werde ich sicherlich dafür kämpfen, dass jedes Kind die gleichen Chancen auf Bildung und Gesundheit hat, unabhängig vom Verdienst der Eltern. Das wird sich jetzt unter der neuen, schwarz-gelben Regierung nämlich verschlechtern. Ich will auch dafür kämpfen, dass wir die Energiewende weiterführen, die wir gut begonnen haben: Wir sind eine der führenden Regionen in Sachen erneuerbare Energien. Mein drittes Ziel ist der Ausbau der Infrastruktur. Dafür werde ich kämpfen und den schwarz-gelben Koalitionären Druck machen.

Wird die SPD in vier Jahren wieder in der Regierung sitzen?

Friedrich: Das kommt nicht von allein. Aber wir haben alle Möglichkeiten in der Hand, das Richtige dafür zu tun. Frau Merkel hat diese Woche eine desaströse Regierungserklärung abgegeben und die schwarz-gelbe Regierung einen richtigen Fehlstart hingelegt. Zumindest diese Woche sind die Chancen also gestiegen. Aber das ist ja kein Automatismus. Die SPD muss sich selber auch entwickeln und erneuern, damit das gelingt.

Braucht die SPD für den Erfolg die Linkspartei?

Friedrich: Die Linkspartei ist für mich im Moment gänzlich unspannend. Wir konnten gerade heute morgen Sahra Wagenknecht am Mikrophon im Bundestag hören, und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Linkspartei koalitionsfähig für uns wird, wenn sie Thesen aus dem 19. Jahrhundert zur vorherrschenden Meinung erklärt. Die Linkspartei muss jetzt für sich klären, wie sie zur parlamentarischen Demokratie, zur Wirtschaft, zum Geld und zu aussenpolitischen Verpflichtungen steht. Wenn sie das für sich klärt, im richtigen Sinne, kann sie zur Koalitionspartnerin werden. Aber das können nicht wir für sie machen.

Interview Jan Jirát

 

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