Obersulm gründet Bürgerstiftung

Veröffentlicht am 08.10.2012 in Wahlkreis

Reinhold Gall überreicht die Stiftungsurkunde (Foto: E-Stimme)

Um sinnvolle Projekte in der rund 14.000-Einwohner-Gemeinde Obersulm zu fördern, hat sich im Oktober 2012 eine Bürgerstiftung gegründet. Reinhold Gall, der ebenfalls zu den Gründungsstiftern gehört, hielt am Gründungsabend die Festrede und brachte auch das Dokument mit, das es der Stiftung überhaupt erst ermöglicht, ihre Arbeit aufzunehmen: die Stiftungsurkunde.

In seiner Rede lobt Reinhold Gall nicht nur das bürgerschaftliche Engagement in Obersulm und hob die Besonderheiten von Bürgerstiftungen hervor. Er bekannte sich auch ganz klar zu seiner Heimatgemeinde, in der er fast 30 Jahre kommunalpolitisch aktiv war. Neben der Weiterentwicklung der Bürgergesellschaft und seiner thematischen Zuständigkeit als Innenminister nannte er seinen engen Bezug zu Obersulm und insbesondere zu Sülzbach als einen der Gründe, warum er sich gerne für die Bürgerstiftung stark gemacht habe:

"Es gibt aber noch einen dritten Grund. Einen ganz einfachen Grund, aber vielleicht doch der wichtigste: Obersulm und natürlich insbesondere Sülzbach sind für mich nicht nur der Ort, an dem ich geboren bin und seitdem wohne, sondern meine Heimat, deren Entwicklung ich über Jahrzehnte in verschiedenen kommunalen Funktionen mit gestalten durfte. Deswegen freut es mich umso mehr, dass nun neben dem, was in Obersulm auf herkömmlichem Weg bereits geleistet wird, durch die Aktivitäten einer Bürgerstiftung ergänzt wird."

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"Liebe Festgäste,
im Rahmen einer Veranstaltung des Deutschen Städtetags hat der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler einmal gesagt: „Wenn die Modernisierung unserer Bürgergesellschaft, die wir brauchen, nicht von den Städten und Gemeinden kommt, dann kommt sie gar nicht.“

Mit diesem Satz überträgt er den Kommunen auf der einen Seite eine große Verantwortung, er gibt ihnen aber auch viele Gestaltungsmöglichkeiten. Und er hat im Übrigen gar nicht unrecht. Bund und Länder können zwar Rahmenbedingungen schaffen, um das Wieder-Erstarken unserer Bürgergesellschaft, den Ausbau des bürgerschaftlichen Engagements und vielleicht sogar einen neuen Pakt zwischen Bürgerinnen und Bürgern im Sinne des Allgemeinwohls zu unterstützen. Bund und Länder können diese Rahmenbedingungen aber nicht mit Leben füllen, das bleibt uns vor Ort vorbehalten.

Denn diese so genannte „Bürger- oder Zivilgesellschaft“, von der Horst Köhler spricht, ist doch nichts anderes als das, was wir vor Ort „Zusammenleben“ oder auch „Zusammenhalt“ nennen. Im Quartier, im Stadtteil oder gleich in der ganzen Gemeinde. Dieses Zusammenleben wird durch die aktive Teilnahme der Menschen am öffentlichen Leben gestaltet und weiterentwickelt. Getragen wird es durch das freiwillige Engagement ihrer Akteure, der Bürgerinnen und Bürger. Und genau dieser Gedanke steckt doch auch hinter unserer Bürgerstiftung, für deren Arbeit wir heute offiziell den Startschuss geben.

Obersulm kommt mit der Gründung dieser Stiftung bei der Weiterentwicklung seiner Zivilgesellschaft ein großes Stück voran. Das ist der eine Grund, warum ich gerne zugesagt habe, heute Abend die Stiftungsurkunde zu überreichen und ein paar Worte zu sprechen. Der andere Grund ist, dass sich mir als dem für das Stiftungsrecht und Stiftungswesen verantwortliche Minister die Möglichkeit bietet, die erhebliche Bedeutung von Stiftungen und ihrer vielfältigen Arbeit für Staat und Gesellschaft gerade in Baden-Württemberg zu unterstreichen.

Zwar steht der Baden-Württemberger - also vor allem der Württemberger – gemeinhin im Verdacht, nach der Devise zu handeln „net g‘schimpft ischt g‘nug g‘lobt“. Ich jedoch halte es vor allem dann, wenn Gutes getan wird, eher mit folgender Abwandlung des wohl bekanntesten Werbespruchs im Ländle: „Wir können alles, auch loben“. Und zu loben gibt es beim Thema Stiftungen eine ganze Menge.

„Eine Stiftung ist eine Einrichtung, die mit Hilfe eines Vermögens einen vom Stifter bzw. den Stiftern festgelegten Zweck verfolgt.“ So lautet die etwas nüchterne Definition in der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Dahinter steckt aber viel mehr, nämlich all das, was mit dem Geld einer Stiftung ermöglicht wird. Ob für Bildung, für Sport, für soziale Projekte oder zur Förderung von Kunst und Kultur – Stiftungen ermöglichen Dinge, die aus laufenden öffentlichen Mitteln nicht oder nur schwer zu finanzieren sind. Stiftungen arbeiten jenseits der Tagespolitik, die Gründung einer solchen ist ein Ereignis, das weit über den Tag hinaus reicht.

Stiftungen sind wichtige Einrichtungen, die nicht allein dazu dienen, die Herausforderungen der Gegenwart zu meistern, sondern deren Aufgabe es auch ist, die Zukunft vorausdenken. Dies tun sie mit weitem Blick und oft mit mehr Freiheiten, als dies der öffentlichen Hand möglich ist. Der polnische Kulturphilosoph Stanislaw Brzozowski hat einmal formuliert „Die Zukunft erkennt man nicht, man schafft sie!“ Heute würde er vielleicht sagen, man stiftet sie. Und genau das wird zukünftig auch die Bürgerstiftung Obersulm tun. Und mit ihr all jene, die sich finanziell einbringen: Sie - bzw. wir - stiften und tragen dazu bei, dass in Obersulm Dinge auf den Weg gebracht werden, die ansonsten nicht oder nicht so schnell zu realisieren wären.

Das Stiften hat bei uns in Baden-Württemberg übrigens eine lange Tradition. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Stiftungen zu den ältesten Organisationsformen bürgerschaftlichen Engagements gehören. Sie prägen seit Jahrhunderten das geistige, kulturelle und soziale Leben unserer Gesellschaft. Die ältesten Stiftungen im Regierungsbezirk Nordwürttemberg stammen bereits aus dem Mittelalter, beispielhaft sei hier die Gründung der Hospitalstiftung zum Heiligen Geist in Schwäbisch Gmünd im Jahr 1269 zu nennen.

Die Renaissance des Stiftungswesens in den letzten hat auch vor dem Südwesten nicht halt gemacht. Im Jahr 1980 gab es knapp 200 Stiftungen in Nordwürttemberg, 1990 waren es bereits rund 350 und im Jahr 2000 fast 600 Stiftungen. Mittlerweile existieren über 1.000 Stiftungen in unserem Regierungsbezirk. Am 17. August, der Tag, an dem die Bürgerstiftung Obersulm als gemeinnützige und rechtsfähige Stiftung anerkannt wurde, ist noch eine weitere hinzu gekommen. Landesweit gibt es ca.

2.850 Stiftungen, der Bundesverband Deutscher Stiftungen schreibt Baden-Württemberg für 2011 die zweitgrößte Stiftungsdichte nach Nordrhein-Westfalen in den Flächenländern zu. Alle Stiftungen, egal ob sie groß oder klein sind, ob sie mit hoher öffentlicher Wirkung oder still im Verborgenen arbeiten, leisten einen enormen Beitrag zur gelingenden Entwicklung des Stiftungszwecks, dem sie sich verschrieben haben.

Die Ursachen für diese erfreuliche Entwicklung sind nach meinem Dafürhalten das hohe ehrenamtliche, soziale, kulturelle und wissenschaftliche Engagement unser Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen, deren Finanzkraft und ein stiftungsfreundliches Klima in Baden-Württemberg. Das Land leistet seinen Beitrag dazu, dass der Stiftungsgedanke auch künftig auf fruchtbaren Boden fällt. Festakte wie der am heutigen Abend sind der Landesregierung Ansporn und Verpflichtung, den Stiftungsgedanken und das Stiftungswesen weiter zu fördern und zu pflegen,

„Engagement ist Lebensqualität“, wird die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth zitiert, Erich Kästner hat es in gewohnt pragmatischer Manier auf den Punkt gebracht: „Es gibt nichts Gutes - außer man tut es.“ Für Stiftungen ist dies ein äußert passenden Motto, wie ich finde. Sie helfen, die aktuellen und künftigen Herausforderungen unseres Gemeinwesens zu bewältigen, sie sind Impulsgeber, finanzielle Säulen, Projektträger und Zukunftslabore. Sie sind eine wichtige Ergänzung zu staatlichem Handeln. Wohlgemerkt als Ergänzung, nicht als Ersatz, das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen. Stiftungen sind die Kür im öffentlichen Leben, die Pflicht muss weiterhin vom Staat geleistet werden.

Stiften ist gelebter Ausdruck der Werteorientierung unserer Gesellschaft. Es ist ein sichtbares Zeichen für eine aktive Bürgerschaft und zeugt von Verantwortungsbewusstsein, Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, Gemeinsinn und dem Drang, etwas zum Positiven hin zu verbessern. Und Stiften ist bei weitem keine Einbahnstraße. Das gute Gefühl, das man bekommt, wenn man gibt, hat der britische Dichter Lord Byron, bekannt für seinen gesellschaftlichen Pioniergeist, zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit den Worten beschrieben: „Wer Freude erleben will, muss sie teilen. Das Glück wurde als Zwilling geboren.“

Einen besonderen Stellenwert unter den Stiftungen nehmen die Bürgerstiftungen ein, übrigens ein eher junges Gewächs in der deutschen Stiftungslandschaft. Die erste klassische Bürgerstiftung wurde erst im Jahr 1996 in Gütersloh gegründet, mittlerweile werden in Deutschland rund 330 Bürgerstiftungen gezählt. Um eine reibungslose Arbeit der Bürgerstiftungen zu garantieren, hat der Arbeitskreis Bürgerstiftungen zehn Grundsätze verabschiedet, die eine Bürgerstiftung erfüllen muss und die ihre Arbeit ausmachen müssen. Einige davon möchte ich hier nennen, weil ich sie als grundlegend dafür erachte, dass die Arbeit einer Bürgerstiftung dauerhaft funktioniert und auch dauerhaft von der Bevölkerung akzeptiert wird:

Eine Bürgerstiftung ist gemeinnützig und will das Gemeinwesen stärken. Sie versteht sich als Element einer selbstbestimmten Bürgergesellschaft.

Das finde ich deswegen so wichtig, weil es damit garantiert ist, dass diejenigen, die über die Verwendung der Mittel und die Aufnahme von Projekten in eine Förderung entscheiden, Bürgerinnen und Bürger unserer Gemeinde bzw. deren Vertreter sind und sie dies ganz ohne Vorgabe einer höheren Instanz tun können. Auch der nächste Punkt, den ich erwähnen will, trägt dazu bei, dass innerhalb einer Bürgerstiftung selbstbestimmt und jenseits irgendwelcher Richtungen entschieden wird. Da heißt es nämlich:

Eine Bürgerstiftung ist wirtschaftlich und politisch unabhängig. Sie ist konfessionell und parteipolitisch nicht gebunden. Eine Dominanz einzelner Stifter, Parteien, Unternehmen wird abgelehnt. Politische Gremien und Verwaltungsspitzen dürfen keinen bestimmenden Einfluss auf Entscheidungen nehmen.

Auch die räumliche Begrenzung des Aktionsgebiets einer Bürgerstiftung ist in meinen Augen einer der Erfolgsfaktoren für diese Art der Stiftung. Hier haben die Stifter und Spender die Sicherheit, dass das Geld auch dort ankommt, wo sie es haben wollen und dass in ihrem Heimatort etwas bewirkt wird, dass diesen nachhaltig stärkt. Der Idee der „regionalen Verantwortung“ folgend wird für eine Bürgerstiftung definiert:

Das Aktionsgebiet einer Bürgerstiftung ist geographisch ausgerichtet: auf eine Stadt, einen Landkreis, eine Region.

Während das Wirken einer Bürgerstiftung räumlich begrenzt ist, ist sie was die inhaltliche Bandbreite angeht, sehr frei. Und auch das ist gut so, denn wenn sich das Betätigungsfeld einer eigentlich breit angelegten Stiftung auf wenige Bereiche beschränkt, wird auch dies schnell zu Unmut führen.

Eine Bürgerstiftung wirkt in einem breiten Spektrum des städtischen oder regionalen Lebens, dessen Förderung für sie im Vordergrund steht. Ihr Stiftungszweck ist daher breit. Er umfasst in der Regel den kulturellen Sektor, Jugend und Soziales, das Bildungswesen, Natur und Umwelt und den Denkmalschutz. Sie ist fördernd und/oder operativ tätig und sollte innovativ tätig sein.

Was ebenso wichtig ist, ist die Transparenz. Eine Bürgerstiftung wird nur dann auf Dauer das Vertrauen der Menschen erhalten – und damit ihre Bereitschaft zu Spenden wecken – wenn die Verwendung der Mittel nachvollziehbar und öffentlich zugänglich ist. Deswegen gilt auch für die Bürgerstiftung Obersulm:

Eine Bürgerstiftung macht ihre Projekte öffentlich und betreibt eine ausgeprägte Öffentlichkeitsarbeit, um allen Bürgern ihrer Region die Möglichkeit zu geben, sich an den Projekten zu beteiligen.

Sie sehen, meine Damen und Herren, es gibt wichtige Grundsätze, die bei der Arbeit einer Bürgerstiftung zu beachten sind. Nach allem, was ich über die Bürgerstiftung Obersulm weiß und insbesondere wenn ich die mir die Personen anschaue, die hier Verantwortung tragen werden, dann habe ich überhaupt keine Sorge, dass sich diese ganz hervorragend entwickeln wird.

Danke möchte ich am heutigen Abend übrigens ganz besonders denjenigen, die den Anstoß zur Gründung dieser Bürgergesellschaft gegeben haben und die mit ihrem Einsatz dazu beigetragen haben, dass die Stiftung sehr schnell auf die Beine gestellt wurde, allen voran unserem Bürgerverein Wir-Obersulm.

Danken möchte ich auch all jenen, die als Gründungsstifterinnen und Gründungsstifter dazu beigetragen haben, dass der Kapitalstock der Bürgerstiftung Obersulm bereits zum Start ordentlich gefüllt ist. Hier möchte ich stellvertretend die Gemeinde Obersulm, heute vertreten durch Bürgermeister Tilmann Schmidt und zahlreiche Gemeinderätinnen und -räte, sowie die Volksbank Sulmtal, vertreten durch ihren Vorstand Wolfgang Finkbeiner nennen, die mit einer Einlage von jeweils 50 000 Euro die Anschubfinanzierung der Stiftung gesichert haben.

Liebe Freundinnen und Freund, sehr verehrte Damen und Herren,
ich habe vorhin zwei Gründe genannt, warum ich heute Abend gerne dazu beigetragen habe, der Bürgerstiftung Obersulm einen würdigen Gründungsabend zu bereiten und warum meine Frau und ich uns auch aus Überzeugung bei der Gründung der Stiftung beteiligt haben: die Weiterentwicklung der Bürgersellschaft und meine dienstliche Zuständigkeit für das Stiftungswesen.

Es gibt aber noch einen dritten Grund. Einen ganz einfachen Grund, aber vielleicht doch der wichtigste: Obersulm und natürlich insbesondere Sülzbach sind für mich nicht nur der Ort, an dem ich geboren bin und seitdem wohne, sondern meine Heimat, deren Entwicklung ich über Jahrzehnte in verschiedenen kommunalen Funktionen mit gestalten durfte. Deswegen freut es mich umso mehr, dass nun neben dem, was in Obersulm auf herkömmlichem Weg bereits geleistet wird, durch die Aktivitäten einer Bürgerstiftung ergänzt wird.

Der Bürgerstiftung wünsche ich, dass sie wächst und gedeiht, dass viele Menschen im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten entweder durch Zustiftungen oder durch Spenden die Arbeit der Stiftung unterstützen und dass der Stiftungsrat allzeit kluge Entscheidungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger unserer schönen Gemeinde trifft, wenn es darum geht, welche Projekte mit den Stiftungsgeldern unterstützt werden sollen.

Doch bevor Gutes getan werden kann, müssen wir erst das über die Bühne bringen, was der eigentlich Anlass des heutigen Abends ist: die Übergabe der Stiftungsurkunde."

 

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